Warum du trotzdem erst um 23 Uhr für den Test anfängst zu lernen
Letzte Woche saß ich mit Sophie in meinem Nachhilferaum. Sie ist 15, 9. Klasse, eigentlich eine gute Schülerin. Aber sie sah müde aus. Richtig erschöpft. „Wie spät bist du gestern ins Bett?“, fragte ich. „Halb zwei.“
„Test heute?“
Sie nickte. „Ich hatte es mir fest vorgenommen. Nach der Schule
direkt lernen. Aber dann…“

Sie zögerte. Ich kannte die Geschichte schon. Sie hatte sich erst ein TikTok-Video angeschaut. Nur eines. Dann ein paar Nachrichten beantwortet. Kurz durch Instagram gescrollt. Plötzlich war es 18 Uhr. Dann Abendessen mit der Familie. Um 19:30 Uhr wollte sie anfangen – aber ihre Lieblingsserie hatte eine neue Folge. „Nur eine halbe Stunde“, dachte sie. Um 22 Uhr saß sie endlich am Schreibtisch. Gestresst. Müde. Und der ganze Biologiestoff der letzten drei Wochen lag vor ihr. Das Problem: Sophie hat kein Motivationsproblem. Sie hat ein Zeitmanagement-Problem.
Die harte Wahrheit: Du hast mehr Zeit, als du denkst
Jeder Tag hat 24 Stunden. Das gilt für dich genauso wie für jeden anderen. Aber warum schaffen manche Schüler ihre Hausaufgaben entspannt in zwei Stunden, während andere bis Mitternacht am Schreibtisch sitzen? Die Antwort liegt nicht in der Menge an Zeit, die du hast. Sondern darin, wie du sie nutzt. Schau dir mal einen durchschnittlichen Schultag an. Du schläfst etwa 7-8 Stunden, verbringst 6-7 Stunden in der Schule und etwa 1-2 Stunden mit Hausaufgaben. Du sitzt ungefähr 2 Stunden vor dem TV oder beim Gaming. Und dann sind da noch 2-3 Stunden am Smartphone. Rechne nach: Wo sind die restlichen Stunden? Und wie oft hast du wirklich das Gefühl, Zeit für dich zu haben?
Der unsichtbare Zeitdieb in deiner Tasche
Hier kommt die unbequeme Wahrheit: Jugendliche in Deutschland verbringen durchschnittlich 71,5 Stunden pro Woche online. Das sind mehr als 10 Stunden pro Tag.
Lies das nochmal. Zehn. Stunden. Pro. Tag.
Deutsche Jugendliche gehören international zu den Spitzenreitern bei der Bildschirmzeit. Fast drei Viertel der 15-Jährigen verbringen täglich mehr als zwei Stunden zu Vergnügungszwecken am Bildschirm. Manche kommen auf fast sieben Stunden täglich.
Das ist nicht deine Schuld. Apps wie TikTok, Instagram und YouTube sind von Experten so programmiert, dass sie dich möglichst lange in der Anwendung halten. Dein Gehirn – besonders die Impulskontrolle – ist mit 15 Jahren noch nicht vollständig entwickelt. Du kämpfst gegen ein System, das darauf ausgelegt ist, deine Aufmerksamkeit zu stehlen.
Aber: Du kannst lernen, damit umzugehen.
Die Pomodoro-Entdeckung: Wie Tim seine Noten rettete
Lass mich dir von Tim erzählen. Er kam vor einem Jahr zu mir. 8. Klasse. Mathe: 5. Englisch: 5. Geschichte: 4-.
Seine Eltern dachten, er sei faul. Aber das stimmte nicht. Tim saß jeden Nachmittag am Schreibtisch. Stundenlang. Er schaute auf seine Bücher, las die gleiche Seite dreimal, verstand nichts. Sein Handy lag daneben. Ständig vibrierte es. Eine Nachricht hier, eine Benachrichtigung dort.
Nach zwei Stunden am Schreibtisch hatte er effektiv vielleicht 30 Minuten gelernt.
Ich schlug ihm die Pomodoro-Technik vor. Die Regeln sind einfach:
- Stelle einen Timer auf 25 Minuten
- Arbeite konzentriert an einer Aufgabe
- Mache 5 Minuten Pause
- Nach vier Durchgängen folgt eine längere Pause (15-30 Minuten)
Tim war skeptisch. „25 Minuten? Das ist doch viel zu kurz!“
„Probier es aus“, sagte ich. „Aber in diesen 25 Minuten: kein Handy. Wirklich kein Handy.“
Er versuchte es. Und zum ersten Mal seit Monaten schaffte er es, sich zu konzentrieren. Nach 25 Minuten hatte er mehr verstanden als sonst in zwei Stunden. Die kurzen Pausen halfen ihm, durchzuatmen. Sein Gehirn bekam Zeit, das Gelernte zu verarbeiten.
Innerhalb von drei Monaten verbesserte sich Tim in Mathe von einer 5 auf eine 3. In Englisch von einer 5 auf eine 3+.
„Das Verrückte ist“, sagte er mir, „ich lerne jetzt weniger Stunden als vorher. Aber ich verstehe endlich was.“
Prokrastination: Warum dein Gehirn gegen dich arbeitet
Sophie und Tim sind keine Einzelfälle. 75 Prozent aller Schüler und Studenten prokrastinieren. Das heißt: Sie schieben Aufgaben auf, obwohl sie wissen, dass sie es später bereuen werden.
Warum tun wir das?
Die Psychologie hat eine einfache Erklärung: Wenn du eine Aufgabe aufschiebst, fühlst du dich kurzfristig besser. Das wirkt wie eine Belohnung für dein Gehirn. Gleichzeitig vermeidest du die unangenehme Aufgabe – noch eine Belohnung.
Langfristig führt das aber zu Stress, Schuldgefühlen und schlechteren Noten. Ein Teufelskreis entsteht.
Die gute Nachricht: Prokrastination ist keine Persönlichkeitseigenschaft. Du kannst lernen, damit umzugehen.
Die Eisenhower-Matrix: Wie Emma endlich ihre Prioritäten fand
Emma, 10. Klasse, hatte ein anderes Problem. Sie machte alles. Wirklich alles. Sie half ihrer Freundin bei den Mathe-Hausaufgaben. Sie beantwortete sofort jede WhatsApp-Nachricht. Sie gestaltete aufwändige Plakate für Referate, die in drei Wochen dran waren. Aber ihre Englisch-Vokabeln für den Test morgen? Die hatte sie nicht gelernt.
Ich zeigte ihr die Eisenhower-Matrix. Sie teilt Aufgaben in vier Kategorien:
A-Aufgaben (wichtig und dringend): Sofort erledigen
- Beispiel: Hausaufgaben für morgen, Vorbereitung auf Test nächste Woche
B-Aufgaben (wichtig, nicht dringend): Fest einplanen
- Beispiel: Referat in drei Wochen, regelmäßig Vokabeln wiederholen
C-Aufgaben (dringend, nicht wichtig): Delegieren oder schnell abhaken
- Beispiel: Unterschrift der Eltern holen, Klassenchat-Frage beantworten
D-Aufgaben (weder wichtig noch dringend): Streichen oder verschieben
- Beispiel: Zimmer neu dekorieren, altes Heft sortieren
einzuteilen. Plötzlich sah sie klar, was wirklich wichtig war. Sie lernte, „Nein“ zu sagen. Nicht zu allem. Aber zu den Dingen, die sie von ihren eigenen Zielen abhielten.
Ihre Noten verbesserten sich. Aber noch wichtiger: Sie fühlte sich weniger gestresst.
Der Wochenplan-Trick: Struktur schafft Freiheit
„Ich will aber nicht so durchgeplant leben“, sagte Sophie zu mir, als ich ihr vorschlug, einen Wochenplan zu erstellen.
Ich verstand sie. Ein Wochenplan klingt nach Kontrolle, nach Einschränkung, nach weniger Freiheit.
Aber das Gegenteil ist der Fall.
Ein Wochenplan gibt dir Freiheit. Weil du genau weißt, wann du Zeit für was hast. Du musst nicht mehr ständig im Hinterkopf haben: „Ich müsste eigentlich lernen.“ Du weißt: Von 16-17:30 Uhr lerne ich. Danach habe ich frei. Wirklich frei. Ohne schlechtes Gewissen.
So erstellst du deinen Wochenplan:
- Trage zuerst feste Termine ein: Schule, Training, Musikunterricht
- Plane Lernblöcke: Etwa 10 Minuten pro Klassenstufe täglich. Als Siebtklässler also circa 70 Minuten
- Reserviere Pufferzeiten: Verplane nur 60% deiner Zeit fest. Die restlichen 40% bleiben als Puffer für Unvorhergesehenes
- Plane auch Freizeit ein: Termine mit dir selbst für Hobbys, Freunde, Entspannung
Sophie versuchte es eine Woche lang. Am Anfang war es ungewohnt. Aber nach drei Tagen sagte sie: „Es fühlt sich gut an. Ich weiß endlich, wann ich was mache. Und abends kann ich wirklich abschalten.“
Die Smartphone-Regel, die wirklich funktioniert
Das größte Problem für die meisten Schüler ist das Smartphone. Ich weiß. Du weißt es auch.
Die Lösung ist nicht, dein Handy wegzuwerfen. Die Lösung ist, klare Regeln zu haben.
Regel 1: Handy aus dem Zimmer während der Lernzeit
Nicht lautlos. Nicht umgedreht auf dem Tisch. Aus dem Zimmer. In einem anderen Raum. Wo du nicht in Versuchung kommst, „nur kurz“ draufzuschauen.
Regel 2: Nutze Apps, die dir helfen
Die App Forest funktioniert wie ein Spiel. Du pflanzt einen virtuellen Baum, der wächst, solange du dein Handy nicht benutzt. Wenn du dein Handy benutzt, stirbt der Baum. Klingt simpel. Funktioniert erstaunlich gut.
Regel 3: Setze dir feste Smartphone-Zeiten
Nicht „den ganzen Tag nebenbei“. Sondern: Von 19-20 Uhr Social Media. Dann wieder Handy weg. So vermeidest du das endlose Scrollen.
Die 60-40-Regel: Warum Pufferzeiten alles verändern
Hier ist ein Fehler, den fast alle Schüler machen: Sie planen jeden Tag bis zur letzten Minute durch.
Das Problem: Wenn etwas Unerwartetes passiert – eine extra Hausaufgabe, ein Anruf, ein Freund, der Hilfe braucht – gerät der ganze Plan durcheinander. Du fühlst dich gestresst. Du hast das Gefühl, versagt zu haben.
Die Lösung: Die ALPEN-Methode. Sie besagt:aes-maintal
- Aufgaben aufschreiben
- Länge einschätzen
- Pufferzeit einplanen (Faustregel: nur 60% deiner Zeit fest verplanen, 40% als Puffer)
- Entscheidungen treffen (Prioritäten setzen)
- Nachkontrolle (Am Abend prüfen: Was hat geklappt? Was nicht?)
Die 60-40-Regel klingt kontraintuitiv. Aber sie funktioniert. Weil das Leben nunmal nicht perfekt planbar ist. Und weil du Flexibilität brauchst, um nicht ständig das Gefühl zu haben, hinterherzuhinken.
Was wirklich passiert, wenn du deine Zeit nicht managst
Lass uns ehrlich sein. Schlechtes Zeitmanagement hat Konsequenzen.
47 Prozent aller Schüler sagen, dass Zeitmanagement ihre größte Herausforderung ist. Die Folgen:
- 31% schlafen nur 5 Stunden oder weniger pro Nacht
- Mehr Stress, Depressionen und Angstzustände
- Schlechtere Noten, weil du bis zur letzten Minute wartest
- Weniger echte Freizeit, weil du ständig das Gefühl hast, etwas tun zu müssen
Schlechtes Zeitmanagement ist nicht nur ein „Organisationsproblem“. Es beeinflusst deine mentale Gesundheit, deine Beziehungen, deine Zukunft.
Aber die gute Nachricht: Du kannst es ändern. Heute. Jetzt.
Dein 7-Tage-Zeitmanagement-Plan
Hier ist dein konkreter Fahrplan für die nächste Woche. Probiere ihn aus. Wirklich. Nicht nur lesen. Machen.
Tag 1-2: Analyse
Schreibe auf, wie du deine Zeit verbringst. Wirklich. Stunde für Stunde. Du wirst überrascht sein, wo deine Zeit hingeht.
Tag 3: Prioritäten setzen
Nutze die Eisenhower-Matrix. Welche Aufgaben sind wirklich wichtig? Welche kannst du streichen?
Tag 4-5: Wochenplan erstellen
Plane deine Woche. Feste Termine, Lernblöcke, Freizeit. Vergiss die 60-40-Regel nicht.
Tag 6-7: Pomodoro testen
Probiere die Pomodoro-Technik. 25 Minuten konzentriert arbeiten, 5 Minuten Pause. Handy aus dem Zimmer.
Die Wahrheit über Zeitmanagement
Hier ist das Geheimnis, das dir niemand sagt: Zeitmanagement ist kein Talent. Es ist eine Fähigkeit. Und Fähigkeiten kann man lernen.
Sophie sitzt nicht mehr bis Mitternacht am Schreibtisch, wenn ein Test ansteht. Tim hat seine Noten von 5en auf 3en verbessert. Emma fühlt sich weniger gestresst, obwohl sie genauso viel zu tun hat wie vorher.
Was hat sich geändert? Nicht die Menge an Zeit. Sondern wie sie diese Zeit nutzen.
Das Schulsystem wird dir nicht beibringen, wie man Zeit managed. Deine Lehrer haben selbst kaum Zeit. Deine Eltern versuchen es vielleicht, aber oft klingt es wie Vorwürfe.
Aber genau deshalb ist es so wichtig, dass du es selbst lernst. Denn gutes Zeitmanagement ist nicht nur für die Schule wichtig. Es ist eine Fähigkeit fürs Leben.
Dein erster Schritt: Der 5-Minuten-Test
Finde heraus, wo du stehst. Beantworte diese Fragen ehrlich:
- Wie oft vergisst du Hausaufgaben oder Termine?
- Fühlst du dich häufig gestresst oder überfordert?
- Hast du genug Freizeit für Hobbys und Freunde – ohne schlechtes Gewissen?
- Schiebst du Aufgaben oft auf bis zur letzten Minute?
- Weißt du am Morgen, was heute ansteht?
- Wie viele Stunden verbringst du täglich am Smartphone?
- Schaffst du deine Hausaufgaben entspannt oder sitzt du abends bis spät?
Je mehr Fragen du mit „oft“, „nein“ oder „zu viel“ beantwortest, desto mehr profitierst du von besserem Zeitmanagement.
Bei Dayova haben wir einen kostenlosen Test entwickelt, der dir zeigt, welcher Zeitmanagement-Typ du bist und welche Strategien am besten zu dir passen.
Deine Challenge für nächste Woche
Ich fordere dich heraus: Probiere eine Woche lang die Pomodoro-Technik und erstelle einen Wochenplan.
Nur eine Woche.
Und dann schau, was passiert. Ich wette, du wirst merken: Du hast plötzlich mehr Zeit. Nicht weil der Tag länger geworden ist. Sondern weil du endlich weißt, wie du sie nutzt.
Und wenn Sophie, Tim und Emma es schaffen – dann schaffst du es auch.