Warum du trotz Lernen schlechte Noten schreibst
Als ich für meine mündliche Abiturprüfungen lernen musste, hatte ich keine Lust, mir hunderte Karteikarten zu basteln oder riesige Mitschriften durchzuarbeiten. Meine Freunde schworen darauf. Aber für mich fühlte es sich falsch an.
Stattdessen schaute ich YouTube-Videos über Geschichte und Religion, hörte nachts Dokumentationen (ja, während ich schlief), las meine Notizen laut vor und führte wilde Diskussionen mit meiner Katze über den zweiten Weltkrieg.
Ich dachte ich würde durchfallen. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich bestand beide Prüfungen mit Bravour.

Erst Jahre später, als ich selbst Nachhilfe gab, verstand ich, was damals passiert war. Ich hatte intuitiv herausgefunden, wie mein Gehirn am besten lernt. Eine Kombination aus Hören, Sprechen, Sehen und Bewegung. Hätte ich das nur eher gewusst, wäre mir viel Frustration in der Schule erspart geblieben.
Das Problem: Wenn Fleiß nicht reicht
Genau diese Frustration sehe ich ständig bei meinen Schülern. Da ist zum Beispiel Max (Name geändert), 8. Klasse, Gymnasium. Er sitzt jeden Abend zwei Stunden am Schreibtisch. Karteikarten für Biologie. Vokabeln abschreiben. Formeln auswendig lernen. Seine Eltern sind stolz auf seinen Fleiß.
Dann kommt die Arbeit zurück. Wieder eine 5.
„Warum?“ fragt er mich frustriert. „Ich lerne doch so viel!“
Das Problem ist nicht, dass Max nicht lernt. Das Problem ist, dass er falsch lernt. Zumindest falsch für ihn. Denn es gibt nicht die eine „richtige“ Lernmethode. Jeder lernt anders. Und um erfolgreich zu sein, musst du erst verstehen, wie dein Gehirn Informationen am besten aufnimmt.
Die Mondphasen-Stunde: Als Max plötzlich verstand
Schauen wir uns Max im Physikunterricht an. Seine Lehrerin steht vorne und erklärt, wie sich der Mond um die Erde dreht und die Erde um die Sonne. Sie spricht, erklärt, beschreibt die Bewegungen mit Worten.
Max versucht zuzuhören. Aber irgendwie geht alles zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Er ist abgelenkt, blickt aus dem Fenster, kritzelt in sein Heft.
Dann holt die Lehrerin ein Modell heraus. Sie zeigt mit drei Bällen (Sonne, Erde, Mond), wie die Rotation funktioniert. Sie bewegt die Bälle im Raum. Plötzlich macht es Klick. Max kann sich konzentrieren. Er versteht es.
Was ist passiert? Max Gehirn brauchte etwas zum Anschauen. Etwas Greifbares. Etwas Visuelles.
Dann kommt die Arbeit zurück. Wieder eine 5.
„Warum?“ fragt er mich frustriert. „Ich lerne doch so viel!“
Das Problem ist nicht, dass Max nicht lernt. Das Problem ist, dass er falsch lernt. Zumindest falsch für ihn. Denn es gibt nicht die eine „richtige“ Lernmethode. Jeder lernt anders. Und um erfolgreich zu sein, musst du erst verstehen, wie dein Gehirn Informationen am besten aufnimmt.
Die vier Wege, wie dein Gehirn lernt
Die Lernforschung unterscheidet vier Hauptwege, wie Menschen Informationen am besten aufnehmen. Das nennt sich das VARK-Modell:
- Visuelles Lernen – durch das Auge (Bilder, Grafiken, Videos)
- Auditives Lernen – durch das Ohr (Gespräche, Podcasts, Vorträge)
- Lesen/Schreiben – durch Text (Bücher, Notizen, Zusammenfassungen)
- Kinästhetisches Lernen – durch Bewegung und Tun (Experimente, Ausprobieren)
Die meisten Menschen haben einen dominanten Lerntyp – viele nutzen aber auch eine Kombination. Der Trick ist herauszufinden, welcher Typ du bist.
Max, Lisa, Tom und Emma: Vier Wege zum Lernerfolg
Lass mich dir zeigen, wie das in der Praxis aussieht.
Max: Visuelles Lernen
Max hat mittlerweile verstanden, was bei ihm funktioniert. Statt stundenlang Texte zu lesen, markiert er jetzt wichtige Stellen in verschiedenen Farben. Rot für Hauptpunkte, Gelb für Beispiele, Grün für Definitionen. Er zeichnet Mind-Maps und Diagramme, die das Gelernte strukturieren. Und er schaut YouTube-Erklärvideos, die ihm komplexe Themen visuell aufbereiten.
Sein Tipp: „Wenn du etwas nicht verstehst, zeichne es auf. Auch wenn es komisch aussieht. Dein Gehirn merkt es sich trotzdem.“
Lisa: Auditives Lernen
Lisa aus Max‘ Klasse lernt komplett anders. Sie kann stundenlang Texte lesen und versteht trotzdem nichts. Aber sobald jemand es ihr erklärt, bleibt es hängen.ahaslides
Lisa hat eine Lerngruppe gegründet. Zwei Mal pro Woche treffen sie sich und diskutieren den Stoff. Sie erklärt Themen laut vor sich hin (manchmal zur Verwunderung ihrer Familie beim Abendessen). Und wenn sie alleine lernt, liest sie ihre Notizen laut vor oder nimmt sie mit dem Handy auf und hört sie später wieder ab.
Ihr Tipp: „Podcast statt Karteikarten. Diskutieren statt Auswendiglernen. Wenn ich es nicht laut sagen kann, habe ich es nicht verstanden.“
Tom: Lesen/Schreiben
Tom ist der klassische „Streber-Typ“. Zumindest denken das seine Klassenkameraden. Er schreibt alles mit. Jede Notiz wird sauber ins Heft übertragen. Er erstellt Listen, Zusammenfassungen, Karteikarten.
Für Tom ist das Schreiben selbst der Lernprozess. Während Max ein Diagramm braucht und Lisa eine Diskussion, muss Tom etwas aufschreiben, um es zu verstehen. Er liest seine Notizen immer und immer wieder durch.
Sein Tipp: „Schreib es auf. Mit der Hand, nicht am Computer. Dein Gehirn verarbeitet es anders. Und lies es mehrmals durch, bis du es im Schlaf aufsagen kannst.“
Emma: Kinästhetisches Lernen
Emma ist das genaue Gegenteil von Tom. Sie kann nicht stillsitzen. In der Klasse wippt sie mit dem Fuß, spielt mit dem Stift, läuft beim Telefonieren auf und ab.
Lange dachten ihre Lehrer, sie sei unkonzentriert. Aber Emma hat einfach einen anderen Lernstil. Sie muss sich bewegen, um zu denken. Sie lernt, indem sie durch ihre Wohnung läuft und dabei laut ihre Vokabeln aufsagt. Sie baut Modelle, macht Experimente, bastelt Lernposter, die sie an ihre Wand hängt.
Ihr Tipp: „Lern beim Laufen. Beim Sport. Beim Aufräumen. Hauptsache, du bewegst dich. Mein Kopf funktioniert nur, wenn mein Körper auch arbeitet.“
Erkennst du dich wieder?
Frag dich selbst: Wo konntest du den meisten Inhalt mitnehmen?
- Wenn du etwas gehört hast (Podcast, Vortrag)?
- Wenn du etwas gesehen hast (Video, Grafik, Diagramm)?
- Wenn du etwas gelesen oder aufgeschrieben hast?
- Wenn du es praktisch angewendet hast (Experiment, Bewegung)?
Die Antwort verrät dir, welcher Kanal für dich am stärksten ist.
Aber. Und das ist wichtig. Nutze trotzdem alle vier Wege beim Lernen. Neurowissenschaftler der TU Dresden haben herausgefunden: Das Gehirn ist für das Lernen mit allen Sinnen optimiert. Verschiedene Hirnregionen arbeiten zusammen, wenn du mehrere Kanäle kombinierst. Das Ergebnis? Du lernst schneller, behältst mehr und verstehst tiefer.
Deine Lerntipps: Was wirklich funktioniert
Hier sind konkrete Methoden, die wissenschaftlich belegt sind:
Für visuell starke Lerner:
- Nutze Farben und Marker beim Lernen
- Erstelle Mind-Maps und Diagramme
- Schau Erklärvideos statt nur Texte zu lesen
- Zeichne Konzepte auf (auch wenn du nicht gut zeichnen kannst)
- Arbeite mit Post-Its an der Wand
Für auditiv starke Lerner:
- Gründe eine Lerngruppe
- Erkläre den Stoff laut vor dich hin
- Nimm deine Notizen als Sprachmemo auf
- Höre Podcasts und Hörbücher zum Thema
- Diskutiere mit anderen (oder mit deiner Katze)
Für Lese-Schreib-starke Lerner:
- Schreibe Zusammenfassungen mit der Hand
- Erstelle Karteikarten
- Lies Texte mehrmals durch
- Mach dir strukturierte Notizen
- Schreib To-Do-Listen und Lernpläne
Für kinästhetisch starke Lerner:
- Lerne beim Gehen oder Sport
- Baue Modelle oder führe Experimente durch
- Nutze Lernposter an der Wand
- Mach regelmäßig Pausen mit Bewegung
- Kombiniere Lernen mit Tätigkeiten (aufräumen, kochen)
Der Geheimtipp: Kombiniere alles
Die effektivste Methode? Nutze alle vier Kanäle.
Ein Beispiel: Du lernst für eine Geschichtsprüfung.
- Visuell: Schau dir ein YouTube-Video zum Thema an
- Auditiv: Erkläre deinem Freund, was du gelernt hast
- Lesen/Schreiben: Schreib eine Zusammenfassung in eigenen Worten
- Kinästhetisch: Laufe dabei durch dein Zimmer und gestikuliere
Studien zeigen: Wer mehrere Sinne kombiniert, behält bis zu 75% mehr Informationen. Das nennt man multimodales Lernen – und es ist das, was wirklich funktioniert.
Was du sonst noch wissen solltest
Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren noch mehr herausgefunden:
Emotionen sind entscheidend. Was dich interessiert oder berührt, lernst du leichter. Deshalb funktioniert meine Katzen-Methode so gut (auch wenn sie peinlich klingt).
Wiederholung ist King. Aber nicht auf einmal. Verteile das Lernen über mehrere Tage. Das nennt man „Spaced Repetition“ – und es ist eine der effektivsten Lernmethoden überhaupt. Anstatt Informationen in kurzen, intensiven Lerneinheiten zu wiederholen, verteilst du die Wiederholungen über längere Zeiträume in zunehmend größeren Intervallen.
Bewegung macht schlau. Wenn du dich bewegst, werden im Gehirn neue Verbindungen gebildet. Also: Lern beim Spazierengehen, beim Aufräumen, beim Hin-und-Her-Laufen.
Schlaf speichert Wissen. Im Schlaf werden Informationen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen. Deshalb: Vor dem Schlafengehen nochmal kurz wiederholen.
Die Wahrheit über die Schule
Die gute Nachricht: Es liegt nicht an dir, wenn die Schule schwer ist. Vielleicht hast du einfach noch nicht herausgefunden, wie du am besten lernst.
Die schlechte Nachricht: Das Schulsystem ist nicht darauf ausgelegt, auf jeden Schüler individuell einzugehen. Frontalunterricht funktioniert hauptsächlich für auditive Lerner. Arbeitsblätter für Lese-Schreib-Typen. Wer anders lernt, muss selbst herausfinden, was funktioniert.
Aber genau dabei wollen wir dir bei Dayova helfen. Denn wenn du einmal verstanden hast, wie du lernst, wird Schule plötzlich viel einfacher.